Wie fangen wir eigentlich an, Verantwortung zu übernehmen, wenn es um die ökologische Krise geht? Was motiviert uns, so zu handeln, dass wir unser zerstörerisches Verhalten gegenüber der Natur und der damit einhergehenden nicht-menschlichen Welt erkennen und daher neue Perspektiven zur Lösung der anhaltenden Krise anstreben? Das waren die Fragen, mit denen ich begann, als ich meine Bachelorarbeit im Bereich der Umweltethik schrieb. Der Ausgangspunkt hier ist entscheidend, da ich denke, dass eines der Hauptprobleme, wenn es um unseren Umgang mit der Natur geht, immer noch in den Annahmen liegt, die wir über diese Natur haben. Insbesondere in westeuropäischen Ländern legitimiert das Narrativ von „der Natur“ als Objekt, das eine Ressource darstellt, bis heute die Ausbeutung durch den rationalen Menschen und rahmt damit insbesondere politisches Umwelt(un)handeln.
Politische Akteur/innen argumentieren hier oft mit von Menschen erfundenen Technologien, die uns helfen sollen, die ökologische Krise zu überwinden, ohne die hierarchischen Machtverhältnisse, die soziale und ökologische Unterdrückung aufrechterhalten, grundlegend in Frage zu stellen. Genau hier kann der Ökofeminismus eingreifen und wirklich neue Perspektiven aufzeigen, wie man die ökologische Krise ernst nehmen kann und ein politisches System schafft, das auf Werten wie Fürsorge, Verantwortung und Respekt für die menschliche, aber auch die nicht-menschliche Welt basiert.
Der Ökofeminismus geht von der Annahme aus, dass die Natur und Frauen (und andere marginalisierte Gruppen) als Objekte betrachtet werden, die vom Patriarchat ausgebeutet werden können. Diese Kategorisierung ist notwendig, um das patriarchal-hierarchische System zu legitimieren, das auf Dualismen beruht, die ein Herrschaftssystem der Mächtigen und die Beherrschung der Nicht-Mächtigen konstruieren (Beispiele sind hier auch: Mensch – Tier; Mann – Frau; Kultur – Natur). Folglich wurde dieses System absichtlich geschaffen, um an der sozialen Ungerechtigkeit und der Ausbeutung der Natur festzuhalten, die gleichzeitig die Macht derjenigen erhält, die hauptsächlich von privilegierten Personen ausgeübt wird. Darüber hinaus versucht der Ökofeminismus nicht nur die zugrundeliegenden systematischen Probleme aufzuzeigen, sondern dekonstruiert sie letztlich, indem er die dualistischen Konstrukte von Herrschaft/Nicht-Herrschaft auflöst. Übertragen auf die praktische westliche Politik können ökofeministische Ideen dazu beitragen, ein neues System zu implementieren, das auf Repräsentation basiert.
In meiner Bachelorarbeit habe ich für ein politisches System plädiert, das auf einem pro-ökologischen und vor allem pro-aktiven Umgang mit der aktuellen Krise basiert. Wie könnte das eigentlich mit Hilfe des Ökofeminismus aussehen? Eine ökofeministische Politik basiert auf einem kooperativen System, in dem deutlich wird, was die ökologische Krise für uns bedeutet und wie sie jedes einzelne Lebewesen betrifft. Um das wirklich zu verstehen, bräuchte es ein offenes, transparentes System, das Räume und Zeit zur Verfügung stellt, um nicht nur darüber nachzudenken, welche Konsequenzen auf uns zukommen, sondern, was ich
für viel entscheidender halte, was die Natur für uns bedeutet. Hier spielen (sinnliche) Naturerfahrungen eine entscheidende Rolle.
Sie ermöglichen es den Politiker/innen, wieder in direkten Kontakt mit der Natur zu kommen. Dieser nahbare Zugang zur Natur und dem wesentlichen Zusammensein mit dieser bedeutet, sie nicht mehr als das Andere zu sehen, sondern als einen wesentlichen Teil des eigenen Selbst anzuerkennen. So hat die Natur als bis dahin unterdrücktes Objekt das Potenzial, tatsächlich zum Subjekt zu werden, wenn die Politiker/innen die katastrophalen Signale der Natur, wie beispielsweise Bodenerosion, des Verlusts der biologischen Vielfalt usw. wirklich ernst zu nehmen beginnen. Dabei spielen Emotionen eine wichtige Rolle, die als ebenso entscheidend anerkannt werden müssen wie unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Krise. Darüber hinaus muss nicht nur die Natur ein zentrales Thema in der Politik werden, sondern es bedarf neuer politischer Vertreter/innen, um die gesamtgesellschaftlichen und ökologischen Probleme zu lösen, die eng miteinander verbunden sind. Gerade marginalisierte Gruppen haben unterschiedliche, aber sehr wirksame Ansätze entwickelt, wie man der Natur auf eine schonende, nicht ausbeuterische Weise begegnen kann, indem man sie mit Sorgfalt und Respekt behandelt. Jetzt gilt es, auch die Perspektiven dieser Menschen ernst zu nehmen und ihnen eine Stimme zu geben. Das muss gerade in den hochindustrialisierten Ländern auf eine Weise geschehen, indem man nicht über sie, sondern mit ihnen darüber spricht, was sie nicht nur brauchen, sondern welche Kompetenzen sie im Umgang mit der Natur haben.
Eine ökofeministische Politik kann letztlich dazu beitragen, unseren Umgang mit der ökologischen Krise zu transformieren und zeigt, dass sie neue Zugänge zu unserem gemeinsamen Wissen, unserer Repräsentation von Natur und marginalisierten Gruppen als politische Akteure (Subjekte) erfordert und damit die auf Ausbeutung beruhenden gesellschaftlichen Dualismen dekonstruiert. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass meine Bachelorarbeit diese transformativen, interdisziplinären Ideen weiterführt und ein (noch theoretisches, aber hoffentlich irgendwann praktisches) politisches System schafft, das auf pro-ökologischen, ökofeministischen Werten basiert. Diese Werte und Praktiken sind im Wesentlichen von indigenen Völkern inspiriert, die bereits auf ökofeministische Weise arbeiten. Die Anwendung dieser Ansätze auf den westlichen Kontext trägt nicht nur dazu bei, die gegenwärtige ökologische Krise ernst zu nehmen, sondern auch soziale Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, indem die zugrunde liegenden systematischen Unterdrückungsprinzipien anerkannt werden, die überwunden werden müssen, um globale Probleme wirksam an der Wurzel zu packen und eine gerechtere, weniger zerstörende Welt zu schaffen.
erstellt von: Lina Stoschus